Mit Karabiner, Seil und Bauklötzen
Sportklettern mit Kind im Kufsteinerland
Klettern macht süchtig. Wenn man es einmal ausprobiert hat, lässt es einen nur schwer wieder los. Nur ich und der Fels, frische Luft, Bewegung und unzählige Möglichkeiten, sich und seine eigenen Grenzen kennenzulernen. Jeder Fels ist anders, jede Route wartet mit neuen Bewegungen auf und jedes Mal steht man danach wieder vor der Wand und wundert sich, dass man da mit eigener Kraft hochgeklettert ist.
Bevor unsere Tochter Louise geboren war, haben mein Mann und ich deswegen jede freie Minute am Fels oder in der Kletterhalle verbracht. Mit Kind ist nun alles etwas anders. Letztes Jahr, als Louise noch ein Baby war, konnten wir wunderbar unser schlafendes Kind an den Wandfuß stellen, stundenlang klettern, ein bisschen stillen und weiter klettern. Super, so ein Kind. Ist ja fast alles wie vorher.
Kleiner Wirbelwind am Fels
Dieses Jahr schaut das leider schon etwas anders aus. Louise läuft, rennt, hüpft wie ein Weltmeister und hat überhaupt keine Lust darauf, sich auch nur eine Minute allein zu beschäftigen. Deswegen heißt es für uns Eltern meistens: getrennt klettern. Oder mit mehreren Familien, wo ein Teil der Eltern klettert und die anderen in sicherer Umgebung den Kindergarten übernehmen. Zum Glück gibt es für diesen Zweck ein paar Gebiete, in denen das wunderbar geht: Klettern für Mama und Papa, Spielen und frische Luft für die Kleinen.
Der Ludwig-Steub-Klettergarten
Ein Gebiet davon ist der kleine feine “Ludwig Steub Klettergarten” im Steinbruch des Niederndorfer Ortsteils “Sebi”.
Direkt an der Straße gelegen, kann man sozusagen direkt an der Wand parken und dank der Süd-Ausrichtung ist das Klettern an sonnigen Tagen sogar im Winter möglich. 25 gut abgesicherte Routen, meist in leichterer Schwierigkeit ermöglichen es Anfängern und auch (etwas größeren) Kindern, ihre ersten Klettererfahrungen am Fels zu sammeln.
Für die ganz Kleinen erlaubt ein ebener Wandfuß das Ausbreiten einer Picknickdecke, um ein kleines Spieleparadies mit Büchern, Bauklötzen und Co. zu installieren. Natürlich außerhalb der Steinschlagzone und ohne andere Kletterer zu stören.
Aber was bedeutet denn eigentlich “Sportklettern”?
Vereinfacht gesagt, gibt es zwei Arten von Klettern. Das alpine Klettern und das Sportklettern. Alpine Kletterer sind wilde Hunde und finden ihr Paradies auf Erden im Wilden Kaiser. Sie erklimmen, dort hohe Felswände von mehreren hundert Metern, bis sie einen Gipfel, wie zum Beispiel die berühmte Fleischbank oder den Predigtstuhl erreichen.
Beim Sportklettern hingegen bezwingt man lediglich eine Felswand, die bis zu 40 Metern hoch sein kann. Der Seilpartner bleibt unten am Wandfuß stehen und sichert, während der andere Kletterer die Felswand erklimmt. Alle paar Meter ist ein Haken in der Wand, an den man seine Karabiner, “Expressschlingen” genannt, einhängt. Diese verbinden wiederum das Seil mit der Wand, sodass man bei einem Sturz vom jeweils obersten Haken aufgefangen wird. Oben angekommen kann man sich dann einfach “ins Seil setzen” und wird von seinem Kletterpartner zurück auf den festen Boden gelassen. Also ein bisschen wie in der Kletterhalle, nur mit Vogelgezwitscher und Fels statt Plastik unter den Händen.
Familienausflug mit Campervan und Kletterseil
Wir entscheiden uns meist fürs Sportklettern. Wie wilde Hunde fühlen wir uns manchmal trotzdem. Heute sind wir zum ersten Mal ganz alleine mit Louise beim Klettern und hoffen, dass sie uns ein paar kleine feine Linien klettern lässt. Die Ansprüche an die “Zeit für sich” sinken ja bekanntlich mit Kind. Wir sind aber vorbereitet.
Mit unserem Campervan Rosl fahren wir direkt zum Klettergarten, nehmen Picknickdecke, Bauklötze, Bücher und eine Brotzeit mit und richten uns erstmal gemütlich an einem schattigen, steinschlaggeschützten Plätzchen ein.
Als Tochter von zwei Klettersüchtigen kennt Louise das Prozedere beim Klettern bereits und reicht uns routiniert Klettergurt und Karabiner an, sodass wir tatsächlich schon bald bereit sind für die erste Route.
Doch woher wissen wir eigentlich, wo wir hochklettern müssen? Jede Route trägt einen Namen, der oft ziemlich lustig klingt. So kann man die Routen schnell im Führer finden und wiedererkennen. Führer? Na klar. Auch für Klettergebiete gibt es Führerliteratur, detaillierte Beschreibungen und topographische Karten, anhand derer man die für sich passenden Routen und Klettergebiete heraussuchen kann. Hier in Sebi ist dies besonders luxuriös gestaltet. Am Beginn jeder Route ist ein kleines Schild montiert, das Name und Schwierigkeitsgrad der Route angibt. Zusätzlich zeigt ein großes Schild am Eingang jegliche Routen im Klettergebiet, sodass man sich dort sogar ohne Führerliteratur wunderbar zurechtfindet.
Wirtshauskultur in der Genussregion
Ich starte heute mal mit der “Wirtshauskultur”, einer Route im 5. Schwierigkeitsgrad und eine Hommage an den gemütlichen “Gasthof Sebi”, der sich bis vor ein paar Jahren direkt neben dem Klettergarten befand.
Also dann: Gurt zu, Knoten überprüfen, Schuhe an und los geht’s. Meter für Meter arbeite ich mich hinauf. Links höher steigen, rechts höher greifen. An den Haken hänge ich meine Expressschlingen und das Seil ein und erreiche schon bald den höchsten Punkt. “Zu und ab!” rufe ich meinem Mann zu, sodass er weiß, dass er mich nun wieder zurück hinab auf festen Boden bringen kann. Doch vorher will ich noch kurz durchschnaufen und das Panorama genießen. Schön war’s, meine erste Route. Louise erwartet mich schon sehnlichst am Wandfuß und zeigt mir ganz aufgeregt die Zapfen und Blätter, die sie in der Zwischenzeit gesammelt hat.
Nun ist Papa an der Reihe. Der sucht für seine erste Tour die “Genussregion” nebenan aus. Klingt ja schonmal sehr vielversprechend. “Traumhaft” sagt er grinsend, als er kurz darauf zurück ist. Na, dann probiere ich doch auch mal mein Glück.
Mittagspause mit Felskontakt
Gerade als ich losklettern will, vernehme ich ein lautes “Namnam! Namnam!” neben mir. Aha, Louise hat Hunger. Gut, kein Problem. Gurt aus, Seil weg, ab zu unserem Bus. Es ist schon überaus praktisch, wenn man seine Küche einfach immer dabei hat. So gibt es Nudeln für Louise und wenn wir schon dabei sind auch gleich einen Kaffee für uns. Den passenden Kuchen haben wir glücklicherweise vorher schon beim Café Bär in Niederndorf mitgenommen.
“Kletta, kletta, kletta!” Naa klar, du darfst auch! Nudeln fertig, ab an den Fels. Jetzt will Louise auch mal. Gut, gerne. Mit etwas Unterstützung von Mama und Papa klettert Louise ein paar Meter der “Baggerroute”. Passender Name, oder? Das Klettern klappt auch erstaunlich gut und sie will gar nicht mehr aufhören. Okay, so gibt’s ein kleines Kinder-Klettercamp und wir klettern einfach weiter, wenn Louise ihr Mittagsschläfchen hält.
Alles Käse!
Nach dem Klettern besuchen wir noch die Käserei Plangger, die direkt nebenan liegt. Dort decken wir uns regelmäßig mit Butter, Käse, Milch und Joghurt ein - unverpackt und frisch vom Hof. Unseren Kühlschrank haben wir ja praktischerweise auch gleich dabei. Louise kriegt natürlich auch ihr obligatorisches Stückerl Käse, das sie schon am Eingang lautstark einfordert. Tja, gewohnt ist gewohnt.
Schön wars, unser erster Tag zu dritt am Fels. Nach der “Baggerroute” ist vor dem “Wampenschorsch”. Und wenn man die “Bienenroute” erstmal geschafft hat, dann geht’s vielleicht schon bald ab in den Wilden Kaiser. Zu den wirklich wilden Hunden.
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