Aus dem Kufsteinerland auf die Gipfel der Welt
Eine Hommage an den Kufsteiner Alpinisten Peter Aschenbrenner
Wer auf der Terrasse des Stripsenjochauses, liebevoll „die Strips“ genannt, steht, der kann den Berg rufen hören. Die schroffen Gipfel des Wilden Kaisers scheinen zum Greifen nahe und strahlen eine unfassbare Anziehungskraft aus.
Einer, der die Strips und Gipfel wie das Totenkirchl, Fleischbank und Predigtstuhl wie kaum ein anderer kannte, war der 1902 in Ebbs geborene Peter Aschenbrenner – seiner Zeit als Hüttenwirt, Bergretter sowie Kletter- und Bergsteiger-Pionier ein wahrer Tausendsassa.
Zahlreiche Erstbegehungen sowohl im Kaisergebirge als auch in den Westalpen, gehen auf sein Konto.
Sein Sohn, Manfred Aschenbrenner, lässt uns am spannenden Leben seines Vaters auf der Strips, in den Tiroler Bergen und auf den Gipfeln der Welt teilhaben.
Katharina: Manfred, wie können wir uns Peter Aschenbrenner vorstellen, was zeichnete ihn als Menschen aus?
Manfred: Er war ein sportlicher Mensch, der nie zur Ruhe kommen konnte und immer etwas zu tun brauchte. Gemeinsame Kletter- und Bergtouren mit ihm waren immer eine Erfahrung, man konnte jedes Mal etwas Neues lernen. Außerdem war er sehr interessiert und aufgeschlossen neuen Geräten gegenüber.
Katharina: Apropos Geräte… Was hat es eigentlich mit dem Aschenbrenner-Eispickel auf sich?
Manfred: Den Pickel hat er um 1930 entwickelt. Der Vorteil gegenüber den damals gängigen Pickeln war eine Hohlschaufel, mit der Trittstufen besser ins Eis geschlagen werden konnten. Zusätzlich hat der Pickel ein Loch zwischen der Schaufel und der Spitze, in welchem Karabiner für Sicherungsmaßnahmen eingehängt werden konnten.
Katharina: Dein Vater war Ende der 20er und in den 30er Jahren intensiv als Bergsteiger unterwegs. Über welche Ausrüstung verfügten die Alpinisten in dieser Zeit und welche waren die bekanntesten Erstbegehungen Peters im Wilden Kaiser in diesem Zeitraum?
Manfred: Zu den bekanntesten Erstbegehungen im Wilden Kaiser zählen die Christaturm-Südostkante (1928), die Fleischbank-Ostwand (1930) [Anm.: über die Aschenbrenner-Lucke] und die Leuchsturm-Südwand (1930). Zur typischen Kleidung zählten damals Jacken und Bundhosen aus Loden, schafwollene Socken, Stutzen, teilweise Schuhe mit Nägeln und ein Hut. Technische Hilfsmittel waren Hanfseile, die es bei Nässe fast unmöglich machten, Knoten zu lösen, schwere Karabiner und Haken sowie ein Hammer, um diese Haken in die Wand zu schlagen.
Katharina: Peter war aber nicht nur in den Alpen aktiv, wie sein Spitzname „Himalaya-Peda“ vermuten lässt…?
Manfred: Genau, diesen Namen verdankt er den Nanga Parbat Expeditionen, an denen er 1932, 1934 und 1953 teilgenommen hat.
Katharina: Dein Vater war also in der ganzen Welt unterwegs. Im Kaisergebirge hinterließ er allerdings nicht nur Spuren als Bergsteiger. Welchen Tätigkeiten ging er dort noch nach?
Manfred: Er war Hüttenwirt, aber auch Bergführer sowie Bergretter. In letzterer Funktion war er an zahlreichen Rettungen und Bergungen beteiligt. Außerdem war er als Hüttenwirt des Stripsenjochhauses für die Erhaltung der Zugangswege dorthin zuständig und er betrieb die Almwirtschaft, die Stripenjochalm, für die Versorgung der Hütte mit Milch und Milchprodukten. Zusätzlich musste er sich um die Brennholzbeschaffung kümmern.
Katharina: Wie lange war er als Hüttenwirt tätig?
Manfred: Er war von 1935 bis 1953, also fast 20 Jahre, Pächter des Stripsenjochhauses.
Katharina: Eine lange Zeit. Wie war das Leben damals auf der Strips?
Manfred: Ich würde es als ungezwungen und frei beschreiben. Es waren gesellige Tage und Abende unter Freunden mit zahlreichen Bergsteigergeschichten. Im Laufe der Jahre hat sich aber viel geändert. In der Vorkriegszeit beispielsweise kamen aufgrund der Grenzsperre keine deutschen Kletterer. In den ersten Nachkriegsjahren ging der Betrieb wieder los und es kamen immer mehr Bergsteiger und Bergfreunde.
Katharina: Wie lief die Versorgung des Stripsenjochhauses ab? Das stelle ich mir in der damaligen Zeit ziemlich abenteuerlich vor
Manfred: Die Lebensmittelversorgung des Stripsenjochhauses wurde mit Pferden bewerkstelligt. Zuerst musste der Pferdeführer in Kufstein die Einkäufe tätigen. Diese wurden mit einem Wagen zum Kaiseraufstieg gebracht wo alles auf Pferde umgeladen wurde. Beim Pfandlhof wurde wieder alles auf einen Wagen geladen, der bis Hinterbärenbad fuhr. Von da an mussten ein letztes Mal die Pferde tragen, bis zum Stripsenjochhaus. Das Ganze war eine Tagestour.
Katharina: Die Strips spielte doch sicher auch eine große Rolle für den Alpinismus und den Tourismus?
Manfred: Aufgrund der Lage war sie der Ausgangspunkt für zahlreiche Bergtouren. Außerdem diente das Haus auch als Schutzhütte des Alpenvereins. Dieser war zuständig für die Pflege und Instandhaltung des Gebäudes.
Katharina: Bestimmt gibt es über deinen Vater auch die ein oder andere lustige Anekdote zu erzählen?
Manfred: Eine Geschichte, die mir einfällt, ist die Rettung eines Mulis. Bergsteiger hatten (vermutlich in einer feuchtfröhlichen Stimmung) in der Hinterbärenbad Hütte ein Muli in die Toilette geführt und eingesperrt. Das Tier wollte jedoch nicht mehr rückwärts hinausgehen, woraufhin der damalige Hüttenwirt meinen Vater zur Hilfe gerufen hatte. Letztendlich mussten sie ein Stück Mauerwerk ausbrechen, um das Tier aus seiner Gefangenschaft befreien zu können.
Katharina: Dann hat dein Vater also viel erlebt in seinem Leben. Worauf war er besonders stolz?
Manfred: Darauf, dass er trotz geringer Schulbildung (in seiner Kindheit und Jugend musste er viel arbeiten) mit der Hilfe von Franz Nieberl, dem Kaiserpapst [Anm.: erfahrener Alpinist; die Bezeichnung Kaiserpapst kommt daher, dass er sich in außerordentlichem Maße um das Kaisergebirge kümmerte, beispielsweise forderte er in den 1920er einen stärkeren Schutz des Gebietes], sehr viel Bildung nachholen konnte.
Katharina: Ich bin überrascht, dass die Antwort nichts mit Bergsteigen zu tun hat! Aber jetzt haben wir nur über deinen Vater gesprochen. Fließt denn in deinen Adern auch Bergsteigerblut?
Manfred: Ja ich war selbst oft mit ihm in den Bergen unterwegs, wurde aber etwas von meiner Mutter und meiner Tante ausgebremst. Meine erste Gipfeltour war das Totenkirchl im Alter von 6 Jahren. Als wir zurückkamen, habe ich von meiner Mutter einen Kuchen bekommen, auf dem mit Sahne das Totenkirchl abgebildet war. Überreicht hat sie ihn mit den Worten: „Aber Bergsteiger wirst du hoffentlich keiner.“ Später habe ich noch viele Touren mit meinem Vater unternommen, im Sommer wie im Winter.
Katharina: Vielen Dank für die kleine Zeitreise und den Einblick in das Leben deines Vaters!
Manfred: Als Bergsteiger hat Peter Aschenbrenner im Kaisergebirge und auf den höchsten Gipfeln der Welt Spuren hinterlassen. Sein Leben in Zahlen: 2600 Gipfel, 400 Dreitausender, 69 Viertausender, 1 Sechstausender, 191 Besteigungen des Totenkirchls, 60 der Fleischbank, 62 des Predigtstuhls, 64 Rettungen, 39 Bergungen, 114 lebend geborgene Personen. Verstorben ist er, nachdem er mit 69 Jahren noch den Mt. Blanc bestiegen hatte, 1998 im Alter von sage und schreibe 96 Jahren nach einem bewegten Leben in Kufstein.
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