Kufsteinerland

Über eifrige Wegebauer, kühne Alpinisten und fleißige Hüttenwirte

Wie der Tourismus ins Kaisergebirge kam

Das Kaisergebirge ist Ausflugsziel für zahlreiche Naturgenießer, Wanderer und Bergsteiger, welche sich an einem weitläufigen Netz von Wegen und Steigen erfreuen. Aber wie wurde das Kaisergebirge eigentlich erschlossen? Wer war die treibende Kraft für den Bau von Wegen und Hütten? Welche Rolle spielten Bergsteiger und Alpenvereine? Das alles und vieles mehr erfährst du in diesem Blog.

naturerlebnis-kaisergebirge-copyright-mathaeus-gartner-71
Kaisertal im Abendlicht

Wie alles seinen Anfang nahm

Bei einer meiner Wanderungen kam mir die Frage, wie der Tourismus eigentlich ins Kaisergebirge kam. „Los ging eigentlich alles mit dem Bau der Eisenbahnlinie Innsbruck – Rosenheim – München 1858“, meint Adi Fischer, begeisterter Bergsteiger, Ehrenmitglied der AV Sektion Kufstein und Hüttenwart des Stripsenjochhauses. Die verbesserte Erreichbarkeit entfachte die Reiselust der Menschen und brachte vor allem gut betuchte Münchner Bergsteiger nach Kufstein. „Schon um die Jahrhundertwende kam es zu den ersten alpinistischen Aktivitäten – oft mit einheimischen Gamsjägern und Bauern als Führer“, erzählt Adi.

Die touristische Infrastruktur entsteht

Nach der Gründung der AV Sektion Kufstein 1878 begann die Erschließung des Kaisergebirges mit Wegen über Hinterkaiserfelden zur Pyramidenspitze. Als erste „Touristenstation“ des Alpenvereins im Kaisergebirge gilt die Hinterkaiserfeldenhütte, welche aufgrund der Nähe zur verhältnismäßig leicht begehbaren Pyramidenspitze bei AV Mitgliedern beliebt war. Denn der Großteil interessierte sich zunächst noch für die einfacheren Berge. Die Ausbesserung des Weges durch das Kaisertal durch die Sektion Kufstein, machte Hinterbärenbad als Standort für eine neue Sektionshütte interessant. 1882 überließ die Stadtgemeinde dem AV Kufstein dort drei Almhütten als „Unterkunftshütten für Touristen“. Eine der Almen wurde kurz darauf eingeweiht, wohnlich gemacht und bewirtschaftet. 1899 wurde hier dann das Alpengasthaus erbaut, welches 1899 einem Feuer zum Opfer fiel. Noch im selben Jahr wurde das Gasthaus wiederaufgebaut und trägt seit 1900 den Namen Anton-Karg-Haus. „Der edel getäfelte Gastraum des Anton-Karg-Hauses weist auch heute noch darauf hin, dass vor allem Touristen aus der Oberschicht hier nächtigten“, weiß Adi.

Es geht höher hinaus

Das Anton-Karg-Haus, bis 1902 einziger Stützpunkt in diesem Revier und Ausgangspunkt für die meisten Gipfelbesteigungen, vor allem aufs Totenkirchl, konnte die Unterbringung der zahlreichen Bergsteiger aus München zunächst noch gewährleisten, wurde aber schnell zu klein. Aufgrund der Eignung als Ausgangspunkt für bergsteigerische Touren und als Zwischenstopp auf dem Weg durchs Kaisertal nach St. Johann wurde daher das Stripsenjoch als Standpunkt für ein neues Quartier interessant. 1902 wurde das von Anton Karg beantragte Stripsenjochhaus im Rahmen der Feierlichkeiten zum 25jährigen Jubiläum des AV Kufstein eingeweiht, ein Jahr später wurde der Steig in die Steinerne Rinne zum Ellmauer Tor als weitere touristische Attraktion und als Verbindung zur Gaudeamus- und Gruttenhütte fertiggestellt.

Das Hüttenleben auf der „Strips“

Das Stripsenjochhaus, auch liebevoll „Strips“ genannt, wurde zu einem beliebten Stützpunkt, welcher von berühmten Bergsteigern wie Louis Trenker, Hans Dülfer, Hans Fiechtl, Hias Rebitsch, Hermann Buhl, Reinold Messner und Stefan Glowacz genutzt wurde. Eine besondere Rolle spielte der Ebbser Bergsteiger-Pionier Peter Aschenbrenner, der von 1935 bis 1953 fas 20 Jahre lang Pächter der Strips war. Franz Biasi beschreibt die Atmosphäre auf dem Stripsenhaus so: „Hüttenleben auf der „Strips“, das ist ein Spiegelbild aller Phasen, die das Bergsteigen in seinen gemäßigten und extremen Spielarten mitmachte: die Demokratisierung, die schon vor dem ersten Weltkrieg einsetzte und jedes Wochenende die Hütte überfüllte, den Wettlauf um die ‚letzten Probleme‘, den Streit um die künstlichen Hilfsmittel, das Hochgefühl nach der ersten geglückten Tour und der fragwürdige Ruhm einer neuen Variante; das niederschmetternde Unglück, das ein zu Tode gestürzter darstellte.“

Die Strips als Spiegelbild der Geschichte

Die Strips erlebte nicht nur die verschiedenen Phasen des Bergsteigens, sondern war auch ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Während die Gästezahlen nach dem Bau zunächst wuchsen, führte der Erste Weltkrieg mit der Grenzsperre zu einem dramatischen Rückgang der Gästezahlen. Nach dem Leid und den Entbehrungen des Krieges kam es durch den entfachten Erlebnishunger der Menschen zu ungestümen Zeiten mit zahlreichen Erstbegehungen sowie klettersportlichen Spitzenleistungen, aber auch zu vielen tödlichen Abstürzen. Während dieser Zeit war das Stripsenjoch Hauptstützpunkt im Wilden Kaiser. Die Gästezahlen stabilisierten sich und stiegen mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse auf Rekordzahlen an. Die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechterten sich mit der 1933 vom Deutschen Reich verhängten 1000-Mark-Sperre. Mit dem Anschluss an Deutschland 1938 kam es zu einer Wiederbelebnung des Touristenverkehrs bis in den Zweiten Weltkrieg hinein, dessen Folgen wiederum zu einem extremen Rückgang der Stripsenjochgäste führte. Erst 1953 kam es mit dem Wirtschaftswunder zu „friedensmäßigen“ Nächtigungszahlen. Um die Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg entwickelten sich technikfixierte Kletterstile und -techniken, die das Klettern im Wilden Kaiser bis in die 60er Jahre prägte. „1977 wurde mit der Erstbegehung der ‚Pumprisse‘ durch Reinhard Karl und Helmut Kiene der VII. Grad eingeführt“, erinnert sich Adi.

Das Wege- und Hüttennetz wächst

Maßgeblich für die Erschließung des Kaisergebirges war neben dem aktiven Bergsteigen des Alpenvereins dessen Tätigkeiten zur Errichtung und Wartung von Hütten und Wegen. So wurden beispielsweise 1881 der Weg von Hinterkaiserfelden zur Pyramidenspitze gebaut, 1903 das Stripsenjochhaus vergrößert, 1904 der Höhenweg Vorderkaiserfelden-Stripsenjoch sowie der Sonnecksteig und 1911 der Widauersteig zum Scheffauer angelegt. So war der Wilde Kaiser bis zum Ersten Weltkrieg schon zu großen Teilen erschlossen. Gleichzeitig hatte die Sektion Kufstein ihren Plan verwirklicht, über das Gebirge aufzuklären und dieses zugänglicher zu machen. „Während für den Wilden Kaiser nordseitig heute die AV Sektion Kufstein zuständig ist, kümmert sich die DAV Sektion Oberland um den Zahmen Kaiser“, erklärt mir Adi Fischer. Die schwerste Route ist die mit X+ bewertete „Des Kaisers neue Kleider“ von Stefan Glowacz.

Kartenausschnitt_Kaisergebirge_Karte_Alpenverein_Scan(Franz Biasi)
Kartenausschnitt von früher

Sicherheit und alpines Rettungswesen

Hinterbaerenbad_Schild_Bergrettung_Kaisertal
Meldestelle am Anton-Karg-Haus

Schon vor dem Ersten Weltkrieg war das Klettern so beliebt, dass sich der Wilde Kaiser zur Kletterschule Deutschlands entwickelte. Diese Popularität brachte auch viele Unfälle am Berg mit sich. Der AV Kufstein versuchte entgegenzuwirken, indem Wege und Steige angelegt und abgesichert wurden. Außerdem organisierte man um 1880 ein Führerwesen mit einheitlichen Preisen für den gesamten Bezirk. Man musste aber einsehen, dass es nicht möglich war, alle Abenteuerlustigen von Touren ohne Führer abzuhalten, weswegen ein Rettungs- und Bergungswesen entwickelt wurde. Die Bergführer waren dabei auch die ersten Bergretter, die Hütten die ersten Rettungs- und Meldestellen. 1901 wurde eine alpine Rettungsstation mit freiwilliger Hilfsmannschaft gegründet. Nachdem der Alpenverein Richtlinien für das Rettungswesen definierte, errichtete Anton Karg weitere Rettungs- und Meldestellen. 1948 fand unter der Leitung von Peter Aschenbrenner - Pionier des Rettungswesens und damaliger Pächter der Strips - am Stripsenjoch die internationale Bergrettungstagung des Österreichischen Alpenvereins statt.

Und heute?

Auch heute noch ist das Kaisergebirge ein beliebtes Ziel für Naturfreunde aus Nah und Fern. Ein großes Netz aus Wegen, Steigen und Hütten lockt noch immer Genusswanderer wie ambitionierte Bergsteiger an. Viele Persönlichkeiten haben dies mit ihrem Engagement möglich gemacht – Anton Karg, Matthäus Hörfarter, Franz Nieberl, Peter Aschenbrenner und viele andere, deren Leben und Wirken jeweils eine eigene Geschichte wert wäre. Seit 1963 steht das Kaisergebirge unter Naturschutz, was Franz Nieberl bereits in den 20er Jahren forderte und uns den Reichtum der Natur heute noch aus erster Hand erleben lässt.

naturerlebnis-kaisergebirge-copyright-mathaeus-gartner-65
Anton-Karg-Haus zur heutigen Zeit

0 Kommentar(e)

Mehr Kommentare
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. *Pflichtfelder

Das könnte Sie auch interessieren