Auf der Alm ticken die Uhren anders
Einblick in die Almwirtschaft im Kufsteinerland
Die saftig grünen Wiesen werden zur Augenweide, wir atmen die frische Bergluft ein und genießen den Blick auf die schroffen Gebirgszüge des Wilden Kaisers, die sich vor uns auftürmen. Das Kuhgebimmel vermischt sich mit dem Vogelgezwitscher und die Sonne strahlt vom Himmel herab: Wir befinden uns auf den 300 Hektar großen Almflächen in Scheffau am Fuße des Wilden Kaisers. Dort verbringen 72 Milchkühe und 93 Kälber von insgesamt 12 Bauern ihre Sommerfrische. Georg Strasser, Obmann der Agrargemeinschaft gibt uns Einblick in das Leben auf der Alm. Hautnah und direkt am Geschehen. Zwischen Kuhfladen und Melkmaschinen. Dort, wo die Uhren anders ticken...
Von der Stadt auf die Alm
Eigentlich sollte Georg Strasser den sonnigen Tag zum „heien“ oder zur Heu-Produktion nutzen. Trotzdem nimmt er sich gerne Zeit für uns. Es ist ihm wichtig, uns einen Einblick in das Leben der Almwirtschaft zu geben. Pünktlich um 13 Uhr treffen wir den Obmann der Agrargemeinschaft mitten im Ortszentrum von Kufstein. Von dort geht es über steile Forstwege immer in Richtung Wilder Kaiser.
„Hier im Naturschutzgebiet darf nicht jeder fahren, ich besitze eine Ausnahmegenehmigung“, erklärt uns Georg. Mit gefühlten 10 km/h tuckern wir über eine halbe Stunde lang zwischen schattigen Wäldern hinauf, hinein in die pure Natur – das ist wahrlich ein Kontrastprogramm. Während der Fahrt erzählt er uns von den Hintergründen der Almwirtschaft: „Wir sind insgesamt 12 Bauern, die eine Agrargemeinschaft führen. Über den Sommer kommen die Kühe und Kälber auf die Almen und werden dort von drei Mitarbeitern betreut.“
Sommerfrische auf 1.300 Meter Höhe
Am Hochplateau angekommen, eröffnet sich ein herrlicher Ausblick in Richtung Wilder Kaiser. „Dort drüben, direkt unter dem Scheffauer befinden sich unsere Almen. Insgesamt 300 Hektar Grund wird hier bewirtschaftet, 200 Hektar werden als Weideflächen genutzt.“ Mit dieser Info zeigt uns Georg die Agrarflächen auf der gegenüberliegenden Seite.
Wir fahren weiter an einer engen Forststraße zur Alm, auf der die Milchkühe ihre Sommerfrische verbringen. Dort kümmert sich Stefan um „seine“ insgesamt 72 Kühe. Nach einer herzlichen Begrüßung begleiten wir den Melker in den Stall: „Wenn es so warm ist, sind die Kühe untertags im Stall und über Nacht lasse ich sie auf die Weideflächen.“ Neugierig heben die Tiere den Kopf und strecken uns ihre Köpfe entgegen. Elsa, Lilly, Cindy & Co lassen sich aber nicht aus der Ruhe bringen und fühlen sich sichtlich wohl auf ihren Plätzen.
Einblick in das Leben eines Melkers
Der Tag beginnt für Stefan früh: „Ich muss um 4 Uhr aufstehen, frühstücken und eine Stunde später hole ich die Tiere von den Almwiesen. Nachdem sie das Kraftfutter bekommen, werden sie gemolken, denn die Milch wird jeden Vormittag von der Tirolmilch um halb 9 abgeholt. Über Mittag kontrolliere ich die Wasserstellen und Zäune, bevor ich um 15 Uhr die Tiere noch einmal füttere, die Melkmaschinen starte und um 18 Uhr die Kühe auf die Weide lasse“, informiert uns der Melker.
Stefan arbeitet leidenschaftlich gerne auf der Alm. Und das sieht man ihm an: „Ich bin seit 14 Sommern in den Bergen, liebe das Leben hier oben, auch wenn es manchmal eine große Herausforderung ist. Da bist du einfach auf dich alleine gestellt, die Tiere sind jeden Tag anders aufgelegt und das Wetter ist auch nicht immer so herrlich schön wie heute“, grinst uns Stefan zu. Er kennt natürlich jede seiner Kühe beim Namen und weiß auch schon über seine Schlawiner Bescheid: „Jede Kuh hat ihre Macken. Cindy zum Beispiel schlägt beim Melken öfters aus und Elsa ist ab und zu sehr aufmüpfig“, erzählt Stefan.
Von Namen und Glocken
Jede der Kühe besitzt ein eigenes Namensschild: „Ganz oben steht der Bauernname, eines darunter der Hofname und unten wie die Kuh heißt. Zusätzlich gibt es für jede Kuh eine eigene Glocke. Das ist vor allem bei schlechter Sicht wichtig, damit ich hören kann, wo sich die Kühe befinden. Die Glocken hören sich unterschiedlich an, ich weiß genau welches Gebimmel zu welcher Kuh gehört“, so Stefan. Wir staunen nicht schlecht! Das wäre doch eigentlich ein Fall für Wetten Dass...
Nach unserem Interview bietet uns der Melker ein frisches Glas Milch an – direkt vom kühlen Behälter. Es schmeckt traumhaft und ist ein wahrer Genuss. „ Die Kühe bekommen kein Silofutter, nur Kraftfutter und Heu. Das lässt sich am Geschmack erkennen und das ist gut so“, erklärt Stefan, bevor wir uns auf die weitere Reise begeben.
Besuch auf der Jungvieh-Alm
Nur wenige Minuten von Stefan´s Arbeitsplatz befindet sich die Steinberghütte, wo Maria auf ihre Jungviecher und seit einiger Zeit auch auf Wandergäste schaut. „Grias Eich, willkommen auf meiner Alm“, begrüßt uns die quirlige Tierliebhaberin. Vor der Hütte haben sich Wanderer auf den Bänken niedergelassen und genießen eine Brettljause mit einem kühlen Radler vor den imposanten Gipfeln des Wilden Kaisers.
Unsere Runde wird immer größer. Almmitarbeiter Sepp gesellt sich auf unseren Tisch, während Maria noch ihre Gäste versorgt. „Mein Arbeitsplatz sind die Wiesen und Almen. Ich kontrolliere ständig die 500 Zäune und etlichen Wasserstellen für die Kühe. Und auch die Straßen müssen immer frei sein für den Milchtransport. Das gehört regelmäßig gemacht“, erzählt Sepp. „Er ist ein extrem wichtiger Arbeiter für uns und kennt das Gebiet wie kein anderer“, fügt Georg hinzu.
Tipp: Die Steinberghütte ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer. Von der Bergstation des Kaiserliftes erreicht man die idyllische Hütte über die Gamskogelrunde nach rund 1,5 Stunden.
Wenn der Traum von der Alm wahr wird
Maria kommt mit einem vollen Tablett an unseren Tisch. „Das ist ein Hollerpunsch, den müsst ihr unbedingt einmal kosten“, macht sie uns neugierig auf ihr sommerliches Spezialgetränk aus Holler, Mineral, Zitrone, Essig und etwas Germ.
Die sympathische „Kellnerin“ erzählt uns, warum sie ihre Arbeit auf der Alm so gerne macht: „Ich liebe es mit Tieren und Menschen beisammen zu sein. Ich war schon vor 30 Jahren ständig auf der Alm, bis ich dort oben meinen Mann kennengelernt habe. Ich bin wieder ins Tal zurückgezogen, habe drei Kinder bekommen und aufgezogen. Aber eines hab ich schon immer gewusst: Ich möchte wieder auf die Alm zurück!“, erzählt uns Maria ihren Traum, den sie sich heuer wieder erfüllen konnte. „Meine Kinder sind groß, haben alle eigene Familien und stehen voll und ganz hinter mir.“ Das Funkeln in Maria´s Augen während unseres Gesprächs verrät ihre Leidenschaft: Hier oben ist sie sehr glücklich.
Zwischen Stall und Küche
97 Kälber gilt es für Maria tagtäglich zu versorgen. Nicht nur das, immerhin kann man sich auf der Steinbergalm ab Mittag mit frischer Brettljause und kühlen Getränken verwöhnen lassen. Maria´s Wecker läutet um 5 Uhr: Brot backen ist angesagt. Dazwischen heißt es die Kälber von der Wiese holen, im Stall anhängen und füttern. Nach rund 2 Stunden schmeißt sich die lebensfrohe Gastwirtin in ihr Dirndl, schließlich möchte sie ja schön sein für ihre Gäste. Nach den Vorbereitungen in der Küche wie Speck schneiden, Brot herrichten und Eier kochen, trudeln schon die ersten Wanderer ein. Nach einer Speisekarte sucht man hier vergeblich: „Ich brauche keine Karten, ich rede lieber mit den Leuten“, grinst Maria. Ab 17 Uhr geht es wieder in den Stall ausmisten, sauber machen und die Kälber auslassen. „Wenn zu dieser Zeit Wanderer kommen müssen sie natürlich nicht verdursten“, so Maria. Neben der zeitlichen Herausforderung zwischen Stall und Ausschank ist vor allem die Verantwortung gegenüber dem Vieh groß. „Wenn es einem Kalb schlecht geht, muss man sich mit Hausmittelchen aushelfen und schauen, dass es wieder gesund wird. Wenn es gar nicht mehr geht, hole ich den Tierarzt“, so Maria, die es kaum mehr erwarten kann, bis sie uns ihre Kälber zeigt.
Mit den Kälbern auf du und du
Raus aus den Trachtenschuhe, rein in die Gummistiefel: Jetzt geht es in den Stall. Stolz zeigt uns Maria ihre Kälber. Behutsam klopft sie Elsa auf die Flanke: „Das ist eine meiner Lieblinge.“ Vertraut schmiegt sich Elsa an den Kopf von Maria. Einer der schönsten Momente ist für Maria im Herbst, wenn die Tiere die Alm verlassen: „Beim Abtrieb werden die Tiere schön geschmückt und ins Tal gebracht. Letztes Jahr haben die Bewohner des Altenheims die schönen Buschen gebastelt. Wir bedanken uns für einen guten Almsommer und bereiten uns auf den Winter vor. Natürlich verlasse ich die Alm mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich bin so gern hier, freue mich aber dann schon wieder so richtig auf meine Familie. Und schlussendlich weiß ich ja, dass es nicht mein letzter Sommer auf der Alm war“, lächelt uns Maria zu.
Ein Sommer im Paradies
Während wir wieder zum Auto gehen und zum letzten Mal den traumhaften Ausblick auf die schroffen Felsen des Kaisergebirges genießen, lassen wir den Tag Revue passieren. Herrlich ist es, da oben auf der Alm, es scheint, als ticken inmitten der Natur die Uhren etwas langsamer. Die sympathischen Leute, die ihren Job leidenschaftlich gerne machen, die idyllische Natur und die herrliche Luft haben es uns angetan. Mit unvergesslichen Erlebnissen und reichlich Informationen fährt uns Georg Strasser langsam wieder ins Tal. Und eines ist fix: Wir waren hier bestimmt nicht zum letzten Mal!
1 Kommentar(e)
Karin Standl
29.09.2016 - 12:46 Uhr
Toller Bericht super schöne Fotos