Kufsteinerland

Der Mann mit der ledernen Maske

Zu Besuch bei Künstler Thomas Einwaller in Ebbs

Der Brauch „Krampus“ ist in Österreich momentan medial sehr schlecht behaftet, was mich allerdings noch mehr zu meinem Vorhaben anspornte, den Holz- und Steinbildhauer mit den "Lederschädln" Thomas Einwaller in seiner Werkstatt in Ebbs zu besuchen, um mit ihm über seine Arbeit, den Brauch "Krampus" und seine Meinung dazu zu sprechen. Tom fertigt besondere Krampusmasken (auch Krampuslarven oder Teufelmasken bzw. -larven genannt) an. Der 04. Dezember 2017 war der perfekte Tag für ein solches Thema: es hat geschneit, war düster, kalt. Und dazu noch Montag.

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Der Mann hinter den Masken: Thomas Einwaller

Ich fahre also nach Ebbs, die Kaiserbergstraße entlang und genieße die weiße Landschaft rundherum. Angekommen bei Tom gehe ich am Haus vorbei über die verschneite Stiege - the stairway to hell ;) - nach unten, wo ich von ihm auch schon herzlichst empfangen werde. Ich trete ein und der vertraute und unverkennbare Geruch von Zirbenholz, Fell und Leder kommt mir entgegen. Ein Gedicht für die Nase.

Wir gehen in seine Werkstatt und ich bin erstmal etwas überfordert (im positiven Sinne), da ich sehr viele Eindrücke rundherum sammle. Prachtvolle Hörner hängen von der Decke, Werkzeug aller Art liegt überall und schaurige Masken zieren die Wände. Sie wirken ausgesprochen lebendig und echt, dazu aber später mehr. Tom bereitet uns beiden eine Tasse Tee zu, ich nutze die Zeit um ein paar Bilder zu machen und als er mit den Tassen in der Hand zurückkommt, setzen wir uns in den hinteren Teil seiner Werkstatt. Begleitet von guter Musik („Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin lief mal im Hintergrund, das blieb mir irgendwie in Erinnerung) legt Tom los und erzählt.

Eigentlich hätte es ein Interview à la „Frage – Antwort“ werden sollen, letztendlich entstand aber eine Art Geschichte, die Tom mir erzählte. Und ganz ehrlich: das ist umso vieles besser.

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Eine Maske zu fertigen, bedeutet 40 - 50 Stunden Arbeitsaufwand!

Ich beginne mit der Geschichte von Tom selbst

Der Brauch „Krampus“ und „Krampuslaufen“ hat ihn seit klein auf verfolgt. Der Einbruch der kalten Jahreszeit ist eine mystische, düstere und stille Zeit, die Tom immer schon faszinierte. Er wuchs mit drei Brüdern auf, die älter sind als er. Zwei davon sind bereits selbst als Krampus (in Tirol auch gerne „Teife“ – also „Teufel“ genannt) gelaufen. Sein Bruder Hans-Peter begann dann plötzlich von heute auf morgen, mit den einzelnen Schnitzwerkzeugen, die er zur Verfügung hatte, sich selbst eine Larve zu schnitzen. Das faszinierte Tom ins Unendliche und war bestimmt der erste große Ansporn zu seiner späteren Laufbahn.
„Früher war das Ganze einfach noch anders“, erzählt mir Tom. „Da konnten es sich die wenigsten leisten, eine Maske in Auftrag zu geben und sie nach ihren Wünschen anfertigen zu lassen. Noch dazu gab es zu dieser Zeit erst wenige Schnitzer. Handwerklich Begabte haben sich die Masken selbst angefertigt und das Fell selbst zusammengenäht.“ Es gab früher auch noch keine Passen (Krampusvereine), keine Krampusrummel und -treffen. Die Krampusse liefen frei herum. Heute allerdings findet ab Mitte November bis ca. Weihnachten an jedem Wochenende mindestens ein Krampusrummel statt.

Als Tom dann reif genug war, schlüpfte er selbst in die Gestalt des Teufels. Mit 14 Jahren hat er sich seine erste Larve von einem Schnitzer im Nachbarsort gekauft, die im „Salzburger Stil“ gefertigt wurde. „Salzburger Stil“ deshalb, da der Trend zu naturalistischen und realistischeren Masken aus dem Nachbarsbundesland kommt. Der „Tiroler Stil“ ist die noch grob geschnitzte Holzmaske, mit vielen Hörnern und rustikaler Bemalung.

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Schon früh wusste Tom, in welchem Bereich er später einmal arbeiten wolle. Mit 14 Jahren entschied er sich dazu, die Schnitzschule in Elbingenalp zu besuchen.

Wie kam er eigentlich dazu?

„Mit 14 Jahren stand ich vor der Entscheidung, wie ich meine Zukunft jobtechnisch gestalten werde. Ich war mir damals schon bewusst, dass ich einen Beruf ausüben will, der mich erfüllt. Der mir jeden Tag Freude bereitet, eine Arbeit die ich liebe und mit Leidenschaft mache.“
Die Arbeit mit Holz und seine Kreativität war für Tom immer die größte Leidenschaft. Und als er von der Schnitzschule in Elbingenalp hörte, war entschieden, wohin sein weiterer Weg gehen würde. Dort hat er auch in der 1. Klasse bereits seine erste Maske geschnitzt - in seiner Freizeit muss man dazu sagen. Die erste Maske entpuppte sich bereits als Erfolg und war auch gleich verkauft. Zwar bereut er es einerseits, sein erstes Werk dieser Art verkauft zu haben, aber sein erstes eigenes Taschengeld damit zu verdienen motivierte ihn andererseits dazu, weiterzumachen.

Und dann kam alles anders

Er machte auch weiter. Anfangs schnitze er die Masken und bemalte sie danach, nach den Wünschen der Kunden. Bis er eines Tages einen Ausflug nach Salzburg zu Schnitzer & Gerber (gerben ist das Verarbeiten von Tierhäuten zu Leder) machte. Er kehrte mit zahlreichen Bildern und Eindrück zurück und zeigte diesen seinen Brüdern. Durch die neugewonnnen Eindrücke kam Hans-Peter die Idee, eine Maske komplett mit Leder zu überziehen und das machten er dann auch. So entstand 2005/2006 der erste Lederschädel. „Ab diesem Moment begannen die Masken zu leben“, schwärmt Tom. Damals war diese Maske natürlich eine Sensation, denn in dieser Form gab es noch keine. Nirgends.

Sie fertigten einige Exemplare an und besuchten damit diverse Ausstellungen. Die Lederschädel fanden großen Anklang, das Feedback war positiv.
Bereits 2007 kam dann der erste Auftrag für eine ganze Krampuspass solche Masken anzufertigen. Die Eaboch Pass Ebbs / Niederndorf war der Auftraggeber. So waren sie der erste Verein, der komplett mit Lederschädeln ausgestattet war und dementsprechend eine Besonderheit, da es keiner sonst hatte.

„Einwaller Lederschädl“ wurde sozusagen geboren.
Mittlerweile probieren es zwar manche, die diese einzigartige Technik zu kopieren. Doch die Lederschädel bleiben Unikate - nur original ist legal ;-)

2010 hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und machte sich selbstständig.

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Ein Mann und seine Leidenschaft.

Der Entstehungsprozess:

Tom legt auf die Wünsche der Kunden großen Wert und versucht diese so gut wie es nur möglich ist umzusetzen.

„Der Kunde kommt zu mir und dann machen wir uns erstmal ein Bier auf“, lacht Tom. Tja, es gehört einfach dazu 😉 „Dann sprechen wir über seine Vorstellungen und Wünsche. Die meisten haben bereits konkrete Vorstellungen, andere Fotos und Bilder als Inspiration dabei. Oftmals sogar Bilder von Schädeln, die ich einmal gemacht habe. Ab hier beginnt der Prozess zu laufen und mein Kopf zu rattern.“

  • Die Arbeit beginnt also im Kopf: bereits bei der Schilderung der Idee des Kunden hat Tom ein Bild im Kopf, mit einer sehr genauen Vorstellung
  • Es wird eine Skizze angefertigt und mit dem Kunden abgesprochen
  • Das Holz (er verwendet ausschließlich Zirbe) wird hergerichtet (verleimt) und grob mit der Motorsäge vorgeschnitten
  • Der Charakter der Maske und die Details entstehen mit dem Schnitzeisen
  • Das Holz wird ausgehöhlt, die Hörner (ausschließlich echte!), Zähne und Augen eingesetzt
  • Dann folgt der für Masken außergewöhnliche Arbeitsschritt: das Holz wird mit Leder (meistens Hirschleder vom heimischen Tier) überzogen. Durch die Struktur des Leders entsteht diese unfassbare Lebendigkeit der Masken
  • Die Haare werden dann büschelweise einzeln eingefädelt und angeklebt (Augenbrauen etc.) – er verwendet dafür echtes Pferdehaar
  • Um die Struktur des Leders noch hervorzuheben, wird die Maske anschließend noch bemalt
  • Das Finish: Ziegenfell und Pferdeschwänze werden montiert, passend zum restlichen Gewand des Kunden, damit der Übergang von der Maske zum Fell sauber, passend und einheitlich verläuft. Dann wird die Maske noch auf Maß ausgepolstert, damit sie dem Träger optimal passt.

Dann ist die Maske sozusagen „Ready to run.“
Der Arbeitsaufwand für einen Lederschädel? Ca. 40 – 50 Stunden! Für den Kunden fühlt es sich allerdings an wie eine Ewigkeit, denn die können es meistens gar nicht erwarten, den Schädel abzuholen 😉

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Mit dem Leder wirken die Masken wirklich echt und lebendig.

Ausnahmen bestätigen die Regeln.

Eines vorweg: Tom lässt die Finger von blutigen Horrormasken und kitschigen Anforderungen. „Das hat nichts mit Brauchtum zu tun, ist einfach so.“
Allerdings machte er eine Ausnahme als ein Stammkunde kam, der bereits über 40 Jahre alt war und nicht wusste, wie lange er noch Krampuslaufen würde. „Er kam zu mir und sagte mir, er möchte als Abschluss einmal eine brutale und durchgeknallte Maske haben und brachte als Vorlage ein Foto von der Filmfigur "Predator" mit. Dann sagte er, ich vertraue dir und gebe dir nur dieses Bild als Inspiration, aber diese Maske soll etwas werden, was du noch nie gemacht hast.“
War es dann letztendlich auch. Zwar ist die Maske mehr ein Ausstellungsstück, aber durch sie konnte sich Tom einer neuen Herausforderung stellen und somit wieder bestätigen, was mit seinem Handwerk und seinem großen Talent alles möglich ist. Die Maske wurde übrigens mit Straußenleder überzogen und mit abnorm-gewachsenen Hörnern einer Antilope gekrönt.

Seht euch dieses geniale Werk an:

Tom nimmt übrigens natürlich auch Aufträge für andere Figuren an, fertigt zum Beispiel Skulpturen mit der Kettensäge an, Reliefs, oder auch Styroporfiguren für den Blumenkorso. „Abwechslung braucht man in jedem Job, auch wenn es nur ein kleiner Esel ist den ich schnitze“, scherzt er.

Für eigene Ideen bleibt leider nur selten Zeit, denn neben seinem handwerklichen Hauptberuf ist Tom auch noch ein leidenschaftlicher Musiker und Teil einer Band. Auch wenn er somit ein sehr vielbeschäftigter Mann ist, findet er und braucht er Zeit in der Natur, die für ihn die größte Inspiration darstellt, sowie für seine Familie und Freunde. Denn das sind seine Energiequellen. Die Orte, an denen er Kraft schöpft und Inspiration findet.

Zum Ursprung des Brauchtums:

Dieser liegt im heidnischen Glauben. „Man muss sich vorstellen, zu dieser Zeit gab es noch keinen Strom und die Menschen lebten in einfachen Hütten unter sehr einfachen Umständen. Der Spätherbst und der Winter waren eine sehr dunkle Zeit, die kurzen Tage, die Kälte der Schnee und vor allem die Dunkelheit beängstigten die Menschen. Damals glaubte man ja noch daran, dass sich der Teufel, besser gesagt die bösen Geister herumtrieben“, erzählt er mir und ich merke, wie gut er sich damit auskennt und sein hohes Interesse daran. Das gefällt mir. „Wenn der Wind durch die Hütten pfiff, hatten die Menschen Angst. Und um diese Angst vor den bösen Geistern zu lindern, begannen die Menschen, sich in Fell zu kleiden, mit Glocken zu behängen und setzten Masken auf. So vertrieben sie als schaurige Gestalt und mit viel Lärm die Dunkelheit und die bösen Geister. Die Menschen waren von ihrer Angst befreit.“ Weiter erzählt er mir, dass dieser Brauch im Heidentum jährlich an den folgenden 5 Rauhnächten ausgeübt wurden:

Von 05. auf 06.12.
von 21. auf 22.12. (Wintersonnenwende – was früher der Jahreswechsel war)
von 31.12. auf 01.01.
von 05. auf 06.01

Den Brauch, böse Geister bzw. das Böse zu vertreiben, findet man übrigens in jeder Kultur. Zwar sieht er überall anders aus, aber in seiner Sinnhaftigkeit ist er ident.

Dann aber kam, was kommen musste: die Kirche. Natürlich ging dieser das Brauchtum mit den „unchristlichen, teuflischen“ Figuren gegen den Strich und sie sprachen ein Verbot für diese Tradition aus. Hat jedoch nicht geklappt – die Tradition wurde dennoch weitergelebt. Und die Kirche hat es dann einfach geschickt eingefädelt: sie haben kirchliche Figuren in den Brauch interpretiert.
Tja, und das ist der Grund warum der Nikolaus gemeinsam mit dem Krampus am 05. und 06. Dezember um die Häuser zieht. Der 06. Dezember ist der Namenstag des Hl. Nikolaus, deshalb das Datum. Das kirchliche „Gut & Böse“ findet man also wieder. Dies wurde und wird noch heute erzieherisch genutzt – „Der Beschenkte der Gute, der Bestrafte der Böse.“ Kinder, die nicht brav sind, hören Sätze wie „Am 05. Dezember holt dich der Teufel.“ Oder „Wenn du nicht brav bist, nimmt dich der Krampus mit und der Nikolaus bringt dir nichts!“

Ach, das waren noch Zeiten, als wir das auch noch gehört haben :-)

Alles entwickelt sich in eine Richtung. Es gibt aber auch die falsche.

Tom hat zugegeben, dass er hinter dem heutigen Geschehen rund um das Thema Krampusrummel und Krampusläufe nicht mehr zu hundert Prozent steht. Natürlich liebt er seine Arbeit und sein Handwerk und sieht darin seine größte Leidenschaft. Das wird sich auch zukünftig nicht ändern, denn er hat es schließlich geschafft, seinen Traum zu leben.

„Traditionen und Brauchtümer entwickeln sich weiter, klar. Aber ich hoffe und wünsche mir für die Krampusläufer und Zuseher gleichermaßen, dass ihnen das Brauchtum und dessen Ursprung wieder bewusst werden. Vielen Menschen, vor allem denen hinter den Masken, ging dieses Bewusstsein und der Ursprung leider verloren. Dazu werden die Krampusläufe auch mittlerweile als Publikumsmagnet in touristischer Hinsicht verwendet, riskante Shows abgezogen und dabei kommt es auch oft zu den übertriebenen Ausfälligkeiten. Aber irgendwie kann ich es auch verstehen, dass der Ursprung des Brauchtums verloren ging, denn heute glaubt einfach keiner mehr an Geister und deren Vertreibung mit Lärm, Rauch und teuflischen Gestalten“ sagt Tom und lacht.

Ich mache noch Fotos von der Werkstatt und von Tom, bedanke und verabschiede mich bei ihm und mache mich auf den Weg zurück ins Büro.
Ein aufschlussreicher und interessanter Vormittag, bei einem wahnsinnig begabten, positiv gestimmten und herzlichen Künstler und Musiker.

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